Donnerstag, 2. Juni 2016

Sag mir, wo die Blumen sind

Ich war letztens auf einem Friedhof spazieren. Das hört sich möglicherweise makaber an, aber es wirkte sehr beruhigend auf mich. Meine Kopfhörer in den Ohren, ließ ich mich von Opernmusik und Liedern von Marlene Dietrich beschallen (,,Sag mir, wo die Blumen sind") und dachte über das Leben und den Tod nach. Mich ließ die Frage nicht los, was mit den Gräbern geschieht, wenn sich irgendwann keiner mehr um sie kümmert, nicht mehr bezahlt. Diese werden, dem Internet zufolge, "eingezogen". Auf einigen Grabsteinen standen Geburts- bzw. Todesdaten aus dem 19. Jahrhundert. Für mich kam die Frage auf, wer diese Gebühr noch bezahlt für Verwandte, die schon so lange tot sind und die man gar nicht mehr persönlich kannte. Wird wohl jemand in 100 oder eher 200, 300 Jahren mein Grab pflegen? Wohl eher nicht. Berthold Brecht sagte einst: „Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.“ Also sollten wir der Nachwelt doch ein positives Bild von uns hinterlassen, wenn wir sterben oder um es wie Albert Schweitzer zu sagen: ,,Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen,wenn wir weggehen."

Der Tod ist unvermeidbar, jeder von uns muss irgendwann sterben, man kann es nicht verhindern, es passiert so oder so. Ich hatte das Glück, dass in meinem nahen Kreis niemand verstorben ist. Aus diesem Grund möchte ich nicht anmaßend sein und versuchen diese Verluste in Worte zu fassen, da ich glaube, dass kein Maß an Empathie einen so enormen Verlust nachvollziehen kann. Jedoch sollten wir für die Menschen, die so einen Verlust erlitten haben, da sein. Worte, kleine Gesten, Umarmungen können den Schmerz lindern, diesen Personen das Gefühl geben, dass sie nicht alleine sind und jemand an sie denkt in der schwierigen Zeit. Hier möchte ich noch einmal mein Lieblingszitat von Pablo Neruda erwähnen: "Si nada nos salva de la muerte, al menos que el amor nos salve de la vida.”, also „Wenn nichts uns vor dem Tod rettet, so rettet uns die Liebe wenigstens vor dem Leben“.

Wer weiß schon, was nach dem Tod kommt? Niemand. Ob man an den Himmel oder die Wiedergeburt, Nirwana oder Nichts glaubt - das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass einem nach dem Tod alle anderen Toten auf der Straße begegnen wie in Sartres "Das Spiel ist aus". Hoffnung ist jedoch das, was uns oft am Leben hält. Hoffnung auf ein schönes Leben, Hoffnung, dass es nicht vorbei ist, wenn wir sterben.

Mit diesem Essay möchte ich betonen, dass wir unser Leben auf Erden doch viel mehr schätzen und unsere Mitmenschen mehr lieben und respektieren sollten. Natürlich kann man nicht jeden mögen, nicht mit jedem befreundet sein, aber man sollte immerhin freundlich miteinander umgehen. Wie oft streiten wir uns wegen Kleinigkeiten mit unseren Liebsten und gehen am Ende getrennte Wege, weil der Stolz sich zu entschuldigen oder sich zu versöhnen einfach zu groß ist? Was wäre, wenn dieser Mensch, mit dem man momentan verstritten ist, morgen nicht mehr da wäre? Würde man sich nicht wünschen die Zeit zurückdrehen zu können, um der verstorbenen Person noch etwas sagen zu können? Im Tagebuch der Anne Frank findet man die Phrase: ,,Tote bekommen mehr Blumen als Lebende, weil Reue stärker ist als Dankbarkeit." Schade, oder?

Guido Westerwelle ist im März 2016 verstorben. Was man von seiner politischen Arbeit hielt, ist jedem selber überlassen. Jedoch möchte ich euch einige seiner Worte zu Herzen legen:

Versöhnt euch, vertragt euch. Bedankt euch bei Kassierern, wünscht einen schönen Tag, lächelt, wenn ihr fremden Menschen auf der Straße begegnet, haltet Türen auf. Seid immer freundlich und höflich. Es sind nämlich diese Kleinigkeiten, die unser Leben lebenswert machen.
Es ist eben nicht alles selbstverständlich. Deswegen solltet ihr vor allem dankbar für das sein, was ihr habt. Ein Dach über dem Kopf, Freunde, Familie und vor allem, dass ihr gesund seid. Wenn ihr jemanden etwas sagen möchtet, dann tut es jetzt und schiebt es nicht auf. Das Leben ist zwar kurz, aber es ist doch soooo schön. Macht das Beste daraus.


Fühlt euch gedrückt,

eure Gabriele






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